November 2019 Helmut Dittmann: Verschränkt, 1935 Was sind in allen Sprachen die ältesten Farbbezeichnungen? Schwarz und Weiß, und damit widerlegt die Sprachgeschichte die gerne mit einem Anflug von Besserwisserei vorgetragene Behauptung, dass Schwarz und Weiß Nicht-Farben seien. Für die menschliche Wahrnehmung waren und sind sie jedenfalls fundamental. Die Genesis beginnt damit, Licht und Dunkelheit, Tag und Nacht zu scheiden, und auch für den organischen Rhythmus des Menschen ist der Wechsel von Hell zu Dunkel und wieder zurück der unausschaltbare Zeitgeber. Schwarz und Weiß sowie die dazwischenliegenden Helligkeitsstufen, die Grautöne, wahrnehmen zu können, ist ausreichend, um Formen zu erkennen und sich eine Vorstellung von ihrer Körperlichkeit zu bilden. Für einen Künstler des Informels, wie den Berliner Helmut Dittmann ist damit die Farb-Palette komplett. In seinen Collagen und Tuscharbeiten der 2000er Jahre erkundet Dittmann die Valeurs der Abwesenheit und der massiven Anwesenheit von Farbe in der Erscheinung von Weiß und Schwwarz, er beoachtet, wie sich die Gegensätze von Schwarz und Weiß gegenseitig abstoßen und wie sie in Grau-Stufen ineinander übergehen. Kontrast und Annäherung schaffen ein Geflecht aus Abstand und Überschneidung, aus dem ein autonomer Bildraum entsteht. Paradoxerweise erlaubt die anti-realistische Reduktion auf Schwarz-Weiß auch die Konstruktion von Gegenständlichkeit in den Fokus zu rücken. Dunkelheit wird mit Schatten, Helle mit Licht-Reflexion konnotiert und so entstehen beim Betrachten aus den Flächen Formen mit Tiefenwirkung und der zweidimensinale Bildraum erweitert sich zum dreidimensionalen Perspektiven-Raum. Helmut Dittmann leitet mit seinen informellen, farblich dualistischen Kompositionen zum genauen Hinsehen und zum Nachdenken über die Entstehung von Bildern im Kopf an. |
Helmut Dittmann: Schwarz Weiß verschränkt, 1977 Mischtechnik (Tusche, Aquarell und Collage aus schwarzem Tonpapier) auf weißem Karton, 29.8 x 21 cm vom Künstler montiert auf Unterlagekarton  dort unterhalb der Darstellung betitelt "Kollage", signiert und datiert "Juni 77"l |
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September 2019 Josef Toth Planetenbahnen, 1935 Des Weltraums unendliche Weiten - diese Worte sind Verheißung für die Generationen Mondlandung, Star Trek und Mars-Rover. Um so erstaunlicher, dass sich so wenige bildende Künstler dieses Themas angenommen haben. Seitdem die Weltraum-Teleskope Bilder von den Landschaften aus Sonnen, Gaswolken und Proto-Sternen auf die Erde gefunkt haben, die mit ihren leuchtenden Farb-Schleiern in der Tat über-irdische Erscheinungen sind, hat der deutsch-ungarische Maler und Psychologe Josef Toth den Weltraum zu seinem Motiv gemacht. Die Ausbildung als Kirchenmaler hat wohl den Boden dazu vorbereitet, dass er seinen Blick von der terrestrichen Welt in die Tiefen des Himmelsgewölbes gelenkt hat. Was dort zu sehen sein möge, hat in Gedankenspielen schon die Philosophen fasziniert. Von Pythagoras bis Newton ging man von einem sinnvoll geordnetem, harmonischen Kosmos aus. Die Bahnen, die die Himmelskörper ziehen, stehen in einem mathematisch beschreibbaren, und damit schönem Verhältnis zueinander, und die Fix- wie Wandelsterne streben in ihrer Entstehung auf runde Form zu, weil diese die vollkommene unter den Formen ist. Wir wissen heute, dass diese Schhönheit nicht vollkommen ist: die Planetenbahnen sind keine Kreise, sondern Ellipsen, die Planeten keine Kugeln, sondern Sphäroide. Dennoch fügt sich die kosmische Geometrie bemerkenswert gut in unser menschliches Schönheits-Empfinden. Josef Toth hat sie in diesem Gemälde festgehalten: die auf geometrischen Grundformen beruhende Ordnung des Kosmos und die Kräfte der Entstehung, des Wachstums und der Bewegung, die diese Formen verändern, individualisieren und sie der Geschichte des Universums einschreiben. |
Josef Toth: Lichtkegel und Planeten-Bahnen, um 1996/1998 Ölgemälde auf Hartfaser, 69 x 100 cm rechts unten signiert: "J. Toth" Toth: Planetenbahnen Provenienz: Beim Künstler erworben |
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Juli 2019 Fritz Winter: Abstrakte Kompositionen Fritz Winter hatte sich 1970 nach dem Ende seiner Kasseler Lehrtätigkeit in sein Haus nach Dießen am Ammersee zurückgezogen. Sein Atelierhaus dort war seit längerem Treffpunkt für die Avantgarde-künstler der Abstraktion in Deutschland gewesen. Hier entstand sein Spätwerk. Weiterhin steht die Farbe im Mittelpunkt der künstlerischen Aussage. Beide Farbzeichnungen sind auf Farbakkorden aufgebaut, in Rot-Magenta und Blauttürkis bzw. in Blau und Gelb, die ihre Dominanz vor einem schwarzen Hintergrund entfalten. Der schraffierte Auftrag der Farben läßt die monochromen Flächen vibrieren und hebt sie in der amorphen Form von den schwarzen kompakten Formen ab. Gegenüber den organisch verlaufenden Farbflächen steht die Schwärze als geometrischer Block und als an asiatische Schriftzeichen gemahnende kalligrafische Formen. Das Kleinformat komprimiert die konstruktive Aussage auf einen abstrakten Nukleus, der gleichberechtigt neben den großen Ölgemälde-Kompositionen steht. Abstraktion in Rot und Schwarz, 1975 Filzstiftzeichnung auf leicht cremefarbenem Papier, 19.7 x 18.3 cm rechts unten monogrammiert und datiert freistehend in Passepartout montiert rückseitig Archiv-Nummer 4/75 des Fritz-Winter-Hauses notiert mit Expertise des Fritz-Winter-Hauses Ahlen vom 14.05.1990 Abstraktion in Schwarz, Blau und Gelb Filzstiftzeichnung auf leicht cremefarbenem Papier, 20 x 18.2 cm rechts unten monogrammiert und datiert freistehend in Passepartout montiert rückseitig Archiv-Nummer 401/75 des Fritz-Winter-Hauses notiert mit Expertise des Fritz-Winter-Hauses Ahlen vom 14.05.1990 |
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Juni 2019 Xaver Fuhr: Im Hafen, 1932 Die Herkunft aus Mannheim prägte Xaver Fuhr. Die Auseinandersetzung mit Werken Paul Cézannes in der Mannheimer Kunsthalle bestimmte sein frühes, spätimpressionistisches beeinflusstes Schaffen. Immer schon spielte auch das Konstruktive eine Rolle in den frühen Gemälden, und in der 1. Hälfte der 1920er Jahre entwickelte Fuhr daraus seinen eigenen neu-sachlichen Stil. Kennzeichnend sind Linearität und Flächigkeit in Verbindung mit expressiven Elementen. Gustav Hartlaub, Direktor der Mannheimer Kunsthalle, sorgte dafür, dass der Autodidakt Xaver Fuhr ein Atelier im Dachgeschoss des Mannheimer Schlosses sowie ein Stipendium erhielt, um seine weitere künstlerische Entwicklung zu fördern. Die Aquarelle und Gemälde, die in den späten 1920er und 1930er Jahren entstanden, rechtfertigten Hartlaubs Interesse an dem Künstler; sie trugen Xaver Fuhr deutschlandweite Ausstellungen und Anerkennung wie den Villa-Romana-Preis ein.
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Xaver Fuhr:
Im Hafen, um 1932 / 1934 Aquarell auf cremefarbenem strukturiertem Papier, 66.5 x 48.5 cm Werkverzeichnis: Zienicke Nr. A-124 |
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April 2019 Bruno Krauskopf: Fels-Landschaft Lofoten, 1935 1933 auf einer Parisreise erfuhr Bruno Krauskopf, dass in Deutschland die Nationalsozialisten die Regierung übernommen hatten. Der hellhörige Künstler wußte, was die Stunde geschlagen hatte. Er kehrte von Frankreich nicht mehr in das heimatliche Berlin zurück, sondern emigrierte nach Norwegen. Stavanger im Südwesten des skandinavischen Landes wurde ihm neue Heimat. Er fand dort seine Frau, gründete eine Familie, norwegische Künstler unterstützten den Neu-Ankömmling dabei, im norwegischen Kunstleben Fuß zu fassen, darunter die nordische Maler-Legenden Edvard Munch und Per Krogh. Die in Norwegen bis 1950 verbrachten Jahre waren die glücklichste Zeit im Leben Krauskopfs. Dazu trug auch die Begegnung mit der nordischen Landschaft bei, die neue Schaffenskraft im Künstler freisetzte. Besonders auf den Lofoten, der nordnorwegischen Inselgruppe, die Krauskopf mehrfach bereiste, begegnete er unberührter Natur, wie er sie aus dem dicht besiedelten Mitteleuropa nicht kannte. Sie begeisterte ihn zu Landschaftsgemälden, in denen der Natureindruck expressiv gesteigert wird. Leuchtende, stark konstrastierende Farben schleudern ihre Energie förmlich aus dem Bild heraus. Das Felsengewirr des Insellands übersetzt Krauskopf in ein dynamische, nach mehreren Richtungen ausgreifende Flächigkeit, in der die auseinanderstrebenden Diagonalen dominieren, durch die starke schwarze Konturierung verstärkt. Die Spiegelung der Felsen im See füllt auch die untere Bildhälfte mit einer Struktur aus Farbflächen, so dass die Landschaft in ein Mosaik aus leuchtenden Farbfeldern überführt wird. Wie in einem kirchlichen Mosaik oder einem Glasfenster lädt der Künstler die Landschaftsdarstellung mit spiritueller Potenz auf, die dem See mit Felsenufer eine fast sakrale Weihe verleiht und dem Betrachter eine mystische Kommunion mit den Kräften der Natur erlaubt. |
Bruno Krauskopf: Felsenufer, um 1935 Ölgemälde auf leinenbezogener Malpappe, 75 x 63 cm verso Echtheitsbestätigung durch Else Krauskopf, die Ehefrau des Künstlers |
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